Teneriffas Drachenbäume: legendär, mystisch und wild

von Jutta
Update:

Auf Teneriffa, genauer in Icod de los Vinos, gibt es nicht nur den berühmtesten und ältesten Drachenbaum der Welt. Die Insel ist auch einer der weltweit letzten Orte, wo du die vom Aussterben bedrohten Kanarischen Drachenbäume wild und in ihrer natürlichen Umgebung entdecken kannst.

Der Kanarische Drachenbaum, von den Einheimischen auch Drago genannt, ist eine legendäre und symbolträchtige Pflanze. Zeit einige seiner Geheimnisse zu lüften:

Der Kanarische Drachenbaum ist kein Baum

Bis zu 20 m hoch kann der Kanarische Drachenbaum (Dracaena draco L.) werden. Erstaunlich, denn der Drachenbaum ist gar kein richtiger Baum, sondern eine einkeimblättrige Pflanze aus der Familie der Spargelgewächse (Unterfamilie Nolinoidae). Seine Verwandten aus der gleichen Unterfamilie, z.B. Bogenhanf , Schusterpalmen und Maiglöckchen, wachsen als Sträucher oder krautige Pflanzen und werden nicht annähernd so hoch und groß. Von einer spektakulären „Baum“Krone mal ganz zu schweigen.

Anzeige

Wann blüht ein Drachenbaum und was hat das mit seiner Wuchsform zu tun?

Ausgewachsene Drachenbäume haben einen hohen Stamm und eine schirmförmige Krone. Diese besteht vielen regelmäßigen Verzweigungen, die nach oben gerichteten Blattbüschel mit schwertförmige Blättern tragen.

Aus den grünlich-weißen Blüten, die in einer Rispe an der Astspitze stehen, entwickeln sich runde, fleischig-saftige orangerote Beeren. Ein oder zwei Jahre nach der Blüte lösen sich die Rispen und hinterlassen jeweils eine tiefe Narbe.

Die besondere Wuchsform des Drago entsteht dadurch, dass jeder Ast nur bis zur Blüte wächst. Die Blütenrispe entsteht am Astende aus der terminalen Endknospe, so dass mit der Blüte das Längenwachstum stoppt. Unterhalb der Astspitze aber, bilden sich eine oder mehrere – meistens sind es zwei – Seitenknospen, aus denen dann neue Äste wachsen. Jeder dieser Äste wächst wiederum ungefähr 10 Jahre, blüht und verzweigt sich erneut. Dadurch gabeln sich die dicklichen Äste immer weiter auf, so dass die zuerst gebildeten Äste länger und kräftiger sind als die später gebildeten. Im Laufe der Jahrzehnte bildet sich so die charakteristische Schirmkrone des Drago.

Die schwertförmigen Blätter des Kanarischen Drachenbaum sind grün-blaugrau. An der Basis sind die Blätter durch Drachenblut orange-rot gefärbt, je älter das Blatt umso stärker. Drago Blätter werden 3-4,5 cm breit und 40- 60 cm lang. Diese Länge erreichen auch die Rispen, die zuerst die weiß bis grünlichen kleinen Blüten und später die 1-1,5 cm großen orangen Früchte tragen.

So lange braucht es bis zur ersten Blüte und Verzweigung

Bis zur ersten Blüte und damit Verzweigung eines Drachenbaums braucht es viele Jahre, um die notwendigen Ressourcen für die Produktion der etwa 50.000 Blüten anzusammeln. Dabei hängt die Zeit bis zur ersten Blüte von der Qualität der Umgebung ab – eine schlechte Umgebung verzögert die Blüte. Der wachstumsbegrenzende Hauptfaktor im natürlichem Lebensraum der Drachenbäume ist meist die geringe jährliche Niederschlagsmengen. Zudem fällt während der Sommermonate kaum Regen, so dass die Drachenbäume rund ein halbes Jahr lang unter Wasserstress leiden. Als Anpassung daran, besitzen Drachenbäume spezielle Gewebe mit denen sie Wasser in ihren Ästen und massiven Stämmen speichern können – quasi botanische Regenwassertanks.

Sonnenlicht ist der wichtigste Faktor, der die Höhe des Stammes und die Form der Krone bestimmt. In vollem Sonnenlicht bildet sich eine regelmäßige schirmartige Krone aus, eine asymmetrische Krone hingegen bei  schrägem Sonnenlicht

Nach 9 bis 30 Jahren ist es aber soweit und die erste Blütenrispe erscheint – meist im Juli bis August, wie in den darauffolgenden Blütezyklen auch. Erst nach 10-14 Jahren blüht ein Drachenbaum erneut, bei schlechten Standortbedingungen dauert es sogar 15-20 Jahren bis zur nächsten Blüte. Angeblich stimmt die Dauer der Blütezyklen von Drachenbäumen oft mit den 11-Jahres-Zyklen erhöhter Sonnenaktivität überein. Manch einer vermutet, dass beide Phänomene miteinander verbunden sein könnten.

Der Stamm eines Drachenbaums: regelmäßig geschuppt in der Jugend, narbig im Alter

Ein junger Drachenbaum hat einen kurzen und regelmäßig geschuppten silbergrauen Stamm. Im oberen Bereich trägt er grün-blaugraue schwertförmige Blätter, die ihn als lockere Spirale umwinden. Bei Verletzung und mit jeder Blüte abgelösten Blütenrispe entstehen tiefe Narben am höher wachsenden Stamm –  bis dieser schließlich narbig, runzelig und dunkler erscheint.

Ältere Stämme sehen außerdem ungleichmäßiger aus, wenn fingerdicke Luftwurzeln aus ihnen hervortreten, die bis in den Boden reichen können. Entlang des Stammes können sich die Luftwurzeln fest an den Stamm klammern. Sie sind die Erklärung warum der Stamm einiger ausgewachsener Drachenbäume faserig aussehen, so als bestünden sie aus vielen einzelnen Strängen und warum einige Bäume enorme radiale Ausmaße erreichen. Übrigens können auch ältere Äste Luftwurzeln entwickeln, häufig sind diese zusätzlich in Seitenwurzeln verzweigt.

Luftwurzel können sich bilden, wenn der Kanarische Drachenbaum Stressbedingungen ausgesetzt ist. Dazu zählen z.B. Wassermangel im Boden sowie die Verwundung des Stammes oder der Äste.

Luftwurzeln können dabei helfen, die Drachenbäume zu stabilisieren und fest im Boden zu verankern. Dies spielt besonders an ihrem natürlichen Standort zu denen steile Felswände gehören, eine Rolle. Gleichzeitig wird durch die Luftwurzeln die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen aus dem Boden verbessert.

Der Kanarische Drachenbaum – eine sehr alte und heute seltene Pflanzenart

Der Kanarische Drachenbaum ist eine sehr alte Pflanzenart, die aus dem Tertiär stammt.  Früher war der Kanarische Drachenbaum ein verbreitets Element der Tethys-Fora – subtropische Wälder, die vor mehr als 150 Mio. Jahren in ganz Nordafrika vorkamen und zu den evolutionär ältesten Ökosystemen der Welt gehören. Wild kommt der Kanarische Drachenbaum heute nur noch auf einigen Makaronesischen Inseln vor. Er ist also ein sogenannter Paläo-Endemit.

wilder Drachenbaum auf Teneriffa

Der Drago ist selten geworden: Aktuell gibt es wilde Exemplare nur noch auf Teneriffa und sehr vereinzelt auf  Gran Canaria, Madeira sowie den Kapverden (Santo Antão, Sao Nicolãu, Fogo). Die im Südwesten Marokkos (Antiatlas-Gebirgskette) wachsenden Drachenbäume sind eine eigenständige Subspezies.

Die derzeitigen Populationen von Drachenbäumen, die auf den anderen Kanarischen Inseln wachsen, sind angepflanzt.

Wie wird das Alter eines Drachenbaums bestimmt?

Bei Bäumen wie z.B. einer Buche ist es ganz einfach. Sind sie gefällt, können die Jahresringe des Stammes gezählt und so das Alter genau bestimmt werden. Drachenbäume haben zwar -bäume in ihrem Namen, sind aber streng genommen keine, sondern „nur“ baumartige Pflanzen. Sie gehören zu den Einkeimblättrigen und haben deshalb kein sekundäres Dickenwachstum, dass für die Bildung von Jahresringen verantwortlich ist.

Würde also ein gefällter Drachenbaum vor dir liegen und du würdest versuchen Jahresringe zu finden, würdest du scheitern. Die gute Nachricht: es muss kein Drachenbaum sterben, um sein Alter zu abzuschätzen. Denn es ist bekannt, dass Drachenbäume alle 10-15 Jahre an ihrer Spitze blühen und sich nach der Blüte verzweigen. Die neuen Äste blühen und verzweigen sich wiederum nach rund 10-15 Jahren und so fort. Anhand der Verzweigungen kann also das ungefähre Alter eines Drachenbaums bestimmt werden.

Warum es nur noch wenige alte und wilde Drachenbäume gibt

Drachenbäume gehören zur ursprünglichen Vegetation Teneriffas und wurden bereits von den Guanchen als heilige Bäume verehrt. Der Kanarische Drachenbaum enthält einen roten, harzigen Saft, der nach mechanischen Verletzungen, Insektenbefall oder Pathogeninfektion freigesetzt wird. Bei Kontakt mit der Luft verfestigt sich der Saft. Dieses rote Harz verwendeten die Guanchen unter anderem als Farbstoff und zur Einbalsamierung ihrer Toten.

An diesem Stamm sind Wunden zu sehen, die vom "roten Drachenblut" bedeckt sind. Die Rinde des Kanarischen Drachenbaums ist sehr dünn ist und bietet sie wenig mechanischen Widerstand. Drachenblut wird bei Verletzungen freigesetzt und dient dem Wundverschluss. Außerdem ist es, zusammen mit Ölen und Gerbstoffen, Verteidigungsmechanismus gegen saugende Insekten und bakterielle bzw. pilzliche Krankheitserreger.

Mit der Eroberung der Kanaren durch die Spanier wurde der Drago auch in Europa bekannt. Ihm wurden mystische Kräfte zugeschrieben und seine Harze, auch bekannt als „Drachenblut“, wurden immer begehrter. Drachenblut wurde als medizinisches Heilmittel, für die Herstellung von Farbstoffen und Lacken und insbesondere für Zahnpasta verwendet.

Drachenblut war ein gefragter Rohstoff und folglich wurden mehr und mehr Drachenbäume für ihr Drachenblut angezapft. Viele überlebten das nicht. Und weil es noch einfacher ist, „Drachenblut“ zu gewinnen, wenn der ganze Drachenbaum gefällt wird, wurden viele Exemplare komplett abgeholzt. Außerdem wachsen Drachenbäume natürlicherweise in der Zone des thermophilen Buschwalds – dieser Bereich in einer Höhe von 200-600 Metern ist aber wegen der Fruchtbarkeit der Böden und Klimabedingungen bevorzugtes Siedlungs- und Landwirtschaftsgebiet. Als Folge der spanischen Eroberung wurde ab dem 16. und 17. Jahrhundert fast der gesamte thermophile Wald gefällt.

Überall dort, wo der thermophilen Buschwald vernichtet wurde, verschwanden auch die Drachenbäume. Wilde Drachenbäume sind heute nur noch in ganz wenigen Regionen Teneriffas anzutreffen – vor allem in schwer zugänglichen Gebieten wie steilen Felsen und Schluchthängen.

Aktuell ist der Kanarische Drachenbaum vom Aussterben bedroht: auf der Roten Liste der bedrohten Arten wird er stark gefährdet aufgeführt. Sein Bestand nimmt ab.

El Drago- einer der berühmtesten Bäume der Welt

In Icod de los Vinos steht der älteste und größte lebende Kanarische Drachenbaum der Welt. Er ist ca. 20 m hoch und hat eine ähnlich breite Krone, die nahezu gleichmäßig schirmförmig ist. Sein mächtiger Stamm hat in Wurzelhalsnähe einen Umfang von rund 19 m.  Dieser legendäre Baum trägt auch den Namen Drago Milenario oder kurz El Drago. Übersetzt heißt das soviel heißt wie „der tausendjährige Drachenbaum“.

Das Aussehen dieses Drachenbaums beschrieb der deutsche Botaniker Dr. Hermann Schacht 1859 so:

„Der Drachenbaum zu Icos de los vinos […] hat einen durchaus gesunden  Stamm und eine unversehrte Krone, deren Zweige so dicht stehen, daß sie aus der Ferne an einen dicken Blumenkohlkopf erinnern.“

Wie alt ist der Drachenbaum von Icod?

Nun ist das mit der Altersbestimmung bei Drachenbäumen ja so eine Sache: es wird anhand des Verzweigungsgrads der Äste abgeschätzt. Ungefähr alle 10-15 Jahre blüht ein Drago und bildet eine neue Verzweigung. El Drago soll über 300 Verzweigungen haben. 1975 wurde sein Alter auf 250 bis 365 Jahre geschätzt.

Allerdings stammt die erste Erwähnung des Drago von Icod aus dem Jahr 1503. Es kann getrost davon ausgegangen werden, dass der Drachenbaum von Icod bereits zu diesem Zeitpunkt eine stattliche Erscheinung gewesen ist und mindestens 100 Jahre alt war  – warum sonst sollte er Erwähnung finden. 100 Jahre deshalb, weil so viel Zeit vergeht, bis sich die charakteristische Schirmkrone gebildet hat. Forscher gehen heute davon aus, dass El Drago 600-800 Jahre alt ist.

Die Legende vom Alter der Drachenbäume

Im Botanischen Garten von Berlin stößt der junge Alexander von Humboldt erstmals auf eine Vielzahl exotischer Pflanzen. Von denen fasziniert ihn der Drachenbaum am meisten und weckt in ihm ein starkes Fernweh.
Im Jahr 1799 besuchte Humboldt Teneriffa – als erste Etappe seiner Reise nach Südamerika. Während seines nur einwöchigen Aufenthalts bestieg der berühmte deutsche Forscher und Gelehrte u.a. den Teide und einwickelte seine Wissenschaft von der Pflanzengeographie. Selbstverständlich besichtigte er auch den kolossalen Drachenbaum de Franchy in La Orotava und bekam so zum ersten Mal einen Drago in seiner natürlichen Umgebung zu Gesicht.
Später zeichnete Humboldt den Drago von Orotava und schrieb in seinem Buch Ansichten der Natur:
Der riesenförmige Drachenbaum, den ich auf den Kanarischen Inseln sah und der 16 Schuh im Durchmesser hat, trägt noch immerdar (gleichsam in ewiger Jugend) Blüte und Frucht. Als französische Abenteurer, die Béthencourts, im Anfang des funfzehnten Jahrhunderts die glücklichen Inseln eroberten, war der Drachenbaum von Orotava (heilig den Eingeborenen, wie der Ölbaum in der Burg zu Athen oder die Ulme zu Ephesus) von eben der kolossalen Stärke als jetzt. In den Tropen ist ein Wald von Hymenäen und Cäsalpinien vielleicht das Denkmal von mehr als einem Jahrtausend.“

Vielleicht entstand oder verbreitete sich so die Legende über die jahrtausend-alten Drachenbäume?

Woher kommt der Name Drachenbaum?

Der wissenschaftliche Name des Kanarische Drachenbaum lautet Dracaena draco. „Draco“ stammt aus dem lateinischen und bedeutet „Drache“. Der Name Draco geht genauso wie die erste botanische Beschreibung auf einen ganz bestimmten Drachenbaum zurück, der von den Kanarischen Inseln stammte und in Portugal kultiviert wurde.
 Diesen Drachenbaum sah Carolus Clusius, ein flämisch-niederländischer Gelehrter, Arzt und Botaniker, hinter dem Kloster Nossa Senhora da Graça in Lissabon und war begeistert. Er behielt einen Zweig, ein Stück seiner Rinde und etwas Harz. Er war so beeindruckt von diesem exotischen Baum, dass er ihn als erste Pflanze in seinem 1576 erschienen Werk zu Pflanzen der Iberischen Halbinsel beschrieb und illustierte. Die Zeichnung wurde, im Auftrag von Clusius, von dem flämischen Renaissance-Maler Pieter van der Borcht angefertigt und befindet sich heute in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau.
Caroli Clusii Atrebat Rariorum alioquot stirpium per Hispanias observatarum historia (Page 12) BHL7813824

Christophorus Plantinus.; Clusius, Carolus; Du Chesne, Joseph; Guenther, Johann, Public domain, via Wikimedia Commons

Was Clusius zu dem Begriff Draco inspirierte bleibt wohl im Dunkeln. War es der schuppige Stamm, der ihn an die Schuppen eines Drachens erinnerte? War es das rote Harz, das die Assoziation Drachenblut weckte? Wusste er, dass an beschädigten und abgebrochenen Zweige neue Triebe wachsen und erinnerte ihn an eine Sage nach der einem Drachen mehrere neue Köpfe wachsen, wenn einer abgeschlagen wird.

Auch die griechische Mythologie könnten eine Rolle bei der Namensgebung gespielt haben: Der vielköpfige Drache Ládon bewachte auf Befehl der Göttin Hera den Baum voll goldener Äpfel im Garten der Hesperiden. Ládon war vielköpfig, sprach verschiedene Sprachen, besaß große Kraft und schlief nie. Er wurde jedoch wurde er von Herkules getötet, der die Äpfel pflücken und damit eine weitere seiner zwölf Aufgaben zu erledigen konnte. Eine weitere Legende besagt, dass sich der Garten der Hesperiden auf den Kanaren befand. Als Ládons Blut auf den Boden tropfte verwandelte sich jeder Tropfen in einen Drachenbaum, dessen Zweige den hundert Köpfen des Drachen ähneln und aus dessen Stamm rotes Drachenblut fließt. So sollen die ersten Drachenbäume entstanden sein.

Literatur

Das könnte dir auch gefallen

Schreibe einen Kommentar